Das Microbiom des Darms oder die Darmflora wird in der Wissenschaft mehr und mehr als ein entscheidender Faktor für die menschliche Gesundheit erkannt. Es gibt kaum eine Zivilisationskrankheit, die nicht mit dem Darm und der Darmflora in Zusammenhang gebracht wird: von Darmerkrankungen, Allergien, Autoimunerkrankungen, dem Metabolische Syndrom (Vorstufe Diabetes 2) über psychische Krankheiten bis hin zum Übergewicht.
Eigentlich ist die richtige Bezeichnung für die Darmflora Microbiota, d.h. die Summe aller Darmbakterien, die im Darm leben. Das häufiger verwendete Wort Microbiom stellt die Summe aller Gene der Darmbakterien dar.
Wir haben im Darm ca. 100 Milliarden Bakterien, also mehr als Körperzellen – in der Summe ca. 2 kg !
Bei Geburt wird bei der Reise durch die Scheide und vorbei am Afterbereich der Mutter die erste Ausstattung mit Bakterien an das noch keimfreie Baby übertragen. Kaiserschnittbabies haben hier einen großen Nachteil und später im Leben nachweislich mehr Allergien, Überwicht und andere gesundheitliche Problem.
Genauso ist das bei Kindern, die steriler in der Stadt aufgewachten im Vergleich zu Dorfkindern. Besonders deutlich ist dieser Gesundheitsvorteil bei Kindern, die mit Kontakt zu einem Stall mit vielen verschiedenen Tieren aufgewachsen sind. Diese Kinder bekommen diese Bakterienvielfalt aber nicht in ihren Darm hinein, indem sie sich alle 3 min die Hände desinfizieren!
Studien haben herausgefunden, dass die Diversität entscheidend ist, also die Vielfalt der Darmbakterienarten. Bei Naturvölkern ist hier die Vielfalt bis doppelt so hoch! Man kann das fast mit den Artensterben vergleichen. Bestimmte Arten von Darmbakterien sind in den Därmen der zivilisierten Welt einfach verschwunden.
Es gibt Darmbakterien die gut für uns sind und Darmbakterien, die nicht so gut für uns sind und welche die sehr schlecht sind und ernsthafte Krankheiten verursachen können.
Das Entscheidende ist, dass die Vielfalt an Guten die Schlechten in Schach hält. Die Schlechten sind natürlich, wie auch die Guten immer in unserer Umwelt vorhanden und schaffen es auch immer in den Darm (außer man lebt 100% keimfrei wie Labormäuse). D.h. wenn man eine große Vielfalt an guten Darmbakterien hat, können einem auch die schlechten nicht viel anhaben.
Wir kommt es nun zu dieser Vielfalt?
Einmal natürlich, wie schon oben bei der Geburt erklärt, über die simple Aufnahme über den Mund und über…ähm.. ich nenne es mal „Un-hygiene“. Wenn bestimmte Arten nicht zugeführt werden, weil man sich nur aus sterilen Tütensuppen ernährt, können die im Darm auch nicht ankommen. Meine feste Überzeugung ist, dass übertriebene Hygiene uns Menschen aus mehreren Gründen nicht guttut!
Der zweite Faktor, aus meiner Sicht der wichtigere, ist die Fütterung und „Pflege“ der Darmbakterien, die es tatsächlich in den Darm geschafft haben. Hier spielen die bereits vielfach erwähnten löslichen (= durch Darmbakterien fermentieren / essbaren) Ballaststoffe die entscheidende Rolle. Zucker (und raffinierte Kohlenhydrate, die zu Zucker umgewandelt werden) füttert leider die schlechten Darmbakterien. Versuche haben gezeigt, dass nach 10 Tage Fast Food (ohne nennenswerte Ballaststoffe) bereits die Vielfalt der Darmbakterien um 40% reduziert ist und sich dann nur langsam erholt. Die guten Darmbakterien lieben eine große Vielfalt an Ballaststoffen.
Wenn man Antibiotika nimmt, besonders Breitbandantibiotika, tötet das erstmal fast alle Darmbakterien und die Diversität sinkt. Ohne einen bewussten Aufbau, hinterlässt dass dauerhafte Spuren.
Konservierungsmittel (die sind dazu da, Bakterien abzutöten!), bestimmte Emulgatoren, weitere Lebensmittelzusätze, Pestizide, Umweltgiftstoffe, Mikroplastik, Medikamente (!) etc, etc, stören ebenfalls die Darmflora. Hier beginnt die Wissenschaft erst genauer zu forschen.
Was vor kurzem erst herausgefunden wurde: Darmbakterien lieben, genauso wie der menschliche Stoffwechsel, auch Sekundäre Pflanzenstoffe, wie z.B. die Flavonoide der dunklen Schokolade.
Jetzt muss ich noch kurz das Darm-Ephithel mit den sogenannten Tight Junctions erklären (es scheint dafür echt keinen deutschen Begriff zu geben: tight-eng, dicht, junction-Verbindung). Das Ephithel ist eine einzellige und damit extrem dünne Membran die den Darminhalt von unserem Körper (Blutgefäße) trennt. Diese Ephithel entscheidet was durch darf (Nähr- und Vitalstoffe) und was nicht (Fremdstoffe). Die einzelnen Zellen dieser einzellige Zellmembran werden von den Tight Junctions zusammengehalten. Die meisten Darmerkrankungen führen dazu bzw. werden davon verursacht, dass diese Tight Junctions nicht mehr dicht sind.
Aber was machen die Bakterien in unserem Darm genau?
Sie produzieren zum einen ein ganze Reihe Stoffe, die aktiv vom Darm und dem gesamten Stoffwechsel verwendet werden. Zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren wie Butyrate, die der Darmschleimhaut als Nahrung dienen und diese gesund und dicht erhalten. Wenn Darmbakterien nichts Vernünftiges zu essen bekommen, greifen sie u.a. die Darmschleimhaut an und kommen somit viel näher an das Ephithel. Besonders die schlechten Darmbakterien können hier schädlich sein. Die schlechten Darmbakterien produzieren wiederum Stoffe, die eine negative Wirkung auf den Körper haben bis hin zu Giftstoffen.
Eine weitere entscheidende Geschichte ist das sogenannte Darmgehirn. Ja, der Darm ist voll mit Nervenzellen, die in engem Austausch mit dem Gehirn stehen. Die Darmbakterien wiederum stehen in engem Kontakt mit dem Darmgehirn. Die zuckerliebenden nutzen das, um dem Gehirn einen Appetit auf Zucker bzw. hochkalorische Lebensmittel zu signalisieren.
Stress hat übrigens auch einen negativen Einfluss auf die Darmflora, so dass man hier sogar noch eine sich verstärkende Rückkopplung hat. Schlechte Ernährung führt zu einer schlechten Darmflora, diese wiederum hat einen Einfluss auf die Psyche, was zu erhöhtem Stress führt, was wiederum die Darmflora negativ beeinflusst…. Ein Teufelskreis, aus dem viele Meschen leider nicht mehr so einfach herauskommen.
Was machen wir nun konkret?
Eigentlich nicht so schwer: lebt wie eure Urgroßeltern auf dem Land. Bitte übertreibt es nicht mit Hygiene und esst viele verschiedene natürliche, pflanzliche und wenn möglich fermentierte Lebensmittel.
Lösliche Ballaststoffe (Präbiotika) spielen hier eine besonders große Rolle. Diese sind wie bereits geschrieben NUR in vollwertigen, pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Diese sind NICHT in raffinierten pflanzlichen Lebensmitteln wie Brot und Pasta aus Nicht-Vollkornmehl enthalten und auch NICHT in tierischen Produkten.
Naturvölker nehmen ein Vielfaches an Ballaststoffen zu sich im Vergleich zur „zivilisierten“ Welt, selbst im Vergleich zu den offiziellen Empfehlungen.
Natürlich kann man mal eine Pizza essen, dann aber vorher bitte einen Salat oder eine pflanzliche Antipasti-Platte. Man sollte eine natürliche Gier nach Ballaststoffen entwickeln.
Ich muss auch sagen, dass man sich daran gewöhnt alle raffinierten Produkte gegen die Vollkornvariante zu ersetzten. Mit absolutem Vorzug hier ein Bio-Sauerteig-Vollkornbrot. Nur normale Pasta und Weißbrot mit Industrievollkorntostbrot und Vollkornpasta zu ersetzten ist zwar besser als nichts, aber reicht nicht, zumal wenn man sich die Inhaltsliste von bestimmten Supermarkt-Vollkornprodukten durchließest.
Hülsenfrüchte sind auch ein ausgezeichneter Lieferant von Ballaststoffen neben vielen andern guten Inhaltstoffen.
Am allerwichtigsten ist aber viel viel verschiedenes Gemüse.
Nochmal zu fermentierten, nicht-pasteurisierten Lebensmitteln. Diese enthalten lebende gute Darmbakterien (Probiotika). Bitte macht mal Sauerkraut selbst. Dass ist nicht schwer. Siehe auch den Artikel zum Sauerrotkraut. Alle fermentierten und nicht-pasteurisierten Produkte sind sehr sehr gut für die Darmflora: Sauerkraut, Joghurt (bitte ohne Zucker - siehe oben!!!), nicht pasteurisierter Apfelessig. Die positive Wirkung von Apfelessig ist nachgewiesen. 1-2x am Tag 1 Teelöffel Apfelessig in Wasser getrunken haben einen merklichen gesundheitlichen Effekt.
Es gibt auch vermehrt probiotische Produkte im Handel. Diese haben auch nachgewiesene Wirkungen. Meine Präferenz ist jedoch eine natürliche Lebensweise.